Schumann, Bastian

Liebeserklärung an die Ortenau

Begegnung eines Bayern mit einer badischen Genussregioon
246 S. Seiten,Kartoniert
9783885714002
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Leseprobe: Liebeserklärung an die Ortenau, S. 204-221 17. Auf närrischer Entdeckungstour Fast ein ganzes Jahr ist vergangen, seitdem ich Ende April hier in Straßburg meine bescheidenen Zelte bei Claire aufgeschlagen habe. Eines ist mir seitdem bewusst geworden wie sonst kaum etwas, nämlich dass die Gepflogenheiten hier im Jahreslauf kaum Langeweile aufkommen lassen, dass die Menschen hier kaum Gefahr laufen, Trübsal zu blasen. Geradezu außer Atem könnte man kommen, wenn man an die vielen Bräuche, Festlichkeiten und kulturellen Veranstaltungen denkt, die einen hier über die Monate hinweg bei Laune halten, die mich gar in den Bann gezogen haben, weil sie oft erfrischend anders sind, als ich es aus meiner Heimat kenne. Kaum habe ich mich also durch die Weihnachtsfeiertage gehechelt und japsend den Jahreswechsel begangen, wird meine nicht immer unerschütterliche Ausdauer erneut auf die Probe gestellt, als spätestens nach dem Dreikönigstag die närrischen Hästräger in der Ortenau unterwegs sind. Zusätzlich zu all den über das Jahr verteilten Festen zählt sich so mancher Ort auf der badischen Rheinseite zu allem Überfluss auch noch zu den Hochburgen der überaus traditionsreichen schwäbisch-alemannischen Fastnacht, die seit einigen Jahren in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen ist. Gerne distanzieren sich daher die Badener mit ihrer von der UNESCO gewürdigten Straßenfastnacht und ihren musikbegleiteten Streifzügen durch die örtlichen Gaststätten vom niederrheinischen Karneval. Vom bayerischen Fasching sowieso. Auf jeden Fall geschehen ganz wundersame Dinge in den ersten Wochen des noch jungen Jahres: Ehedem zutiefst seriöse Menschen, verantwortungsvolle Väter, fürsorgliche Mütter, fleißig und pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgehende Bürger verwandeln sich über Nacht in närrische, Schabernack treibende Figuren, streifen jegliche Vernunft und eine gute Portion ihres Verstandes von sich ab und ziehen in farbenfrohen Horden durch Dörfer und Städte, lauthals "Narri, narro" krakeelend. Über die mit Konfetti überhäuften Straßen und Plätze der fastnachtstreibenden Orte sind fortan zahllose buntscheckige Wimpel und Bänder gespannt. In den Gaststätten werden die altehrwürdigen Holzbalken, sämtliche Fenster und Lampenschirme großzügig mit Papiergirlanden und Fransenborten in allen erdenklichen Farben dekoriert. Immer wieder ertönen Trompeten und Posaunen, begleitet von Triangeln, Pauken und Trommeln jeglicher Art, die von maskierten Gugge-Musikanten mit Absicht falsch bespielt werden und dennoch mit viel Sinn für harmonische Rhythmen. Einem karnevalistischen Motto folgende, verkleidete Menschengruppen bevölkern Busse und Bahnen auf ihrem Weg zum nächsten Fastnachtstreiben. Aufwändig gestaltete Fastnachtswagen bremsen den unmaskierten Autofahrer aus, ganze Ortsdurchfahrten werden gesperrt, wichtige Straßenverbindungen gekappt und durch großräumige Umfahrungen ersetzt. Die Bäckereien verkaufen Fastnachtsküchle mit allen denkbaren Glasuren und Füllungen. Und die Zeitungen sind voll mit Bildern von originellen Kostümen und ihren stolzen Trägern. Kurzum, die ganze Ortenau steht Kopf. Deren größte Stadt Offenburg sieht sich dabei nicht ohne Stolz als die Geburtsstätte der legendären Fastnachtshexe, die dort in den 1930er-Jahren entstanden ist. Mit einer holzgeschnitzten Maske vor dem Gesicht erinnert sie an Hexen, wie sie in vielen Märchen geschildert werden. Die Erfindung war jedenfalls so bahnbrechend, dass die Hexenfigur heute die Fastnacht im Südwesten dermaßen dominiert, dass ich bei von Zünften organisierten Straßenumzügen in Willstätt, Gengenbach, Biberach oder eben Offenburg ab und an die Kreativität der badischen Narren anzweifle. Entrüstet gab mir vor Kurzem eine ältere Frau, selbstverständlich als Hexe verkleidet, schroff zur Antwort: "Sie haben ja keine Ahnung! Das ist überlieferte Tradition. Da könnt ihr mit eurem bayerischen Fasching gar nicht mitreden!" Zutiefst verächtlich spuckte si

Launiger Erlebnisbericht eines einjährigen Aufenthalts an der deutsch-französischen Grenz bei Kehl und Straßburg mit Erkundungstouren in die Umgebung beiderseits des Rheins.

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Autor Schumann, Bastian
Verlag Morstadt Verlag
ISBN 9783885714002
ISBN/EAN 9783885714002
Lieferzeit 5 Werktage (inkl. Versand)
Erfassungsdatum 29.09.2021
Lieferbarkeitsdatum 15.10.2021
Einband Kartoniert
Format 1.8 x 21 x 13.5
Seitenzahl 246 S.
Gewicht 330