Schöner blauer Nachmittag

Am Nullpunkt Wenn du wirklich am Tiefpunkt deines Lebens angekommen bist, dann hast du eigentlich viel geschafft. Nicht jeder kommt zum Nullpunkt! Andere fahren zum Nordpol - ich hatte den Nullpunkt erreicht. Das war doch auch was! Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Mein letzter Auftritt als Staubsaugervertreter hatte bizarr geendet Ich präsentierte einer noblen Dame die fantastische Saugkraft unseres Professional Mini Star. Dabei machte sich das Ding plötzlich selbständig - und schwups hing die Düse am Oberteil der Kundin, direkt am Busen. Ich zog zwar sofort geistesgegenwärtig den Stecker aus der Dose und entschuldigte mich ungefähr 15000 Mal, doch alle Bemühungen kamen zu spät Die Bonzin kotzte sich dann beim Chef aus und wollte angeblich sogar eine Strafanzeige gegen uns erstatten. Das kostete mich den Job. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Im Prinzip war ich froh über den Rausschmiss. Auf das bisschen Geld konnte ich auch noch verzichten.Nun saß ich bei meinem alten Freund Jirí, dem Schustermeister für Hackenschuh und Stiefel, und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Wir spielten eine Runde Schach und ich verlor, passend zur Situation. Doch der Ratschlag eines alten weisen Mannes ist in Tiefpunktstunden Gold wert. Jirí klopfte mir auf die Schulter und meinte: «Sauf weniger, mein Freund. Und bewirb dich beim lokalen Wochenblatt - du kannst doch gut schreiben. Ich habe gelesen, dass die Redaktion dort freie Mitarbeiter sucht.» Ich seufzte: «Ob ich da wohl reinkomme, mit meinem Lebenslauf?» Jirí konterte: «Du musst es versuchen! Hast ja nichts zu verlieren » Das stimmte allerdings. Ich hatte wirklich nichts mehr zu verlieren. Und außerdem war ich in jungen Jahren tatsächlich schon einmal für eine Zeitung tätig gewesen und konnte sogar ein paar Referenz-Artikel vorweisen. Am Nullpunkt fängt man einfach wieder von vorne an. Und der leicht erhöhte Blutdruck lässt einen spüren, dass man nocham Leben ist. Es konnte also nur noch aufwärtsgehen! Fortsetzung folgt.

Prag-Zizkov. Bern-Bethlehem. Zwei Stadtteile, zwei Storyzyklen. Im ersten schlägt sich ein trinkender Feierabend-Schreiber durchs Leben, im zweiten versucht ein frisch entlassener Bankräuber Fuß zu fassen.