Stanford, Susan

Werde ich morgen weinen?

Heil werden nach einer Abtreibung
192 S. Seiten,Kartoniert
9783861227465
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1. Die Entscheidung Als ich aufwachte, umfing mich der frische Geruch eines morgendlichen Sommerregens, der gleichmäßig gegen die Scheibe meines leicht geöffneten Schlafzimmerfensters trommelte. Da es noch still in der Wohnung war, nahm ich an, dass Laura, mit der ich die Wohnung teilte, noch schlief. Obwohl ich noch gar nicht richtig wach war, merkte ich doch, dass die Bettdecke in meinen zusammengeballten Fäusten zerknüllt war. Mein ganzer Körper war verspannt, und ich fühlte mich so erschöpft, als ob ich keine vollen acht Stunden geschlafen hätte. Ich atmete tief durch, um die Verspannungen etwas zu lösen. In dem Augenblick, in dem ich richtig wach wurde, wusste ich, was für ein Tag heute war: Dienstag, 1. Juli. Um neun Uhr hatte ich meinen Termin in der Klinik. Während ich mich auf einem Ellbogen aufrichtete, dachte ich: Ich kann immer noch absagen. Und dann: Nein, ich muss es hinter mich bringen. Ich schlug die Decke zurück und setzte meine Füße mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Taub. Empfindungslos. Seitdem der Termin feststand, hatte ich mir keinerlei Gefühle mehr erlaubt. Diese Empfindungslosigkeit ist gut, Susan, sagte ich mir, während ich nach meinem rosafarbenen Morgenrock griff. Nur so kommst du da durch. Ich stand auf und ging ins Badezimmer, um mich zu duschen. Frühstücken stand nicht zur Diskussion. Ich hörte, wie draußen vor der Wohnung ein Wagen angelassen wurde - wahrscheinlich einer meiner Nachbarn, der versuchte, den morgendlichen Berufsverkehr in die Stadt hinein zu vermeiden. Ich schaute durch die Regenschlieren des Badezimmerfensters nach draußen. Warum musste es an diesem Tag auch noch trübe und kalt sein? Der Himmel sah wie harter, nasser, grauer Beton aus, und ich wusste, dass es wieder einmal einer dieser Tage war, an dem es von morgens bis abends regnet. Normalerweise hätte ich hastig meine Unterlagen zusammengesucht, schnell etwas Make-up aufgetragen und wäre dann zu meiner morgendlichen Psychologievorlesung geeilt, die ich an der nahe gelegenen Universität abhielt. Dort hatte ich im Frühjahr jenes Jahres, 1975, promoviert und das Glück gehabt, sofort eine Stelle an der Universität zu bekommen. Von ,Glück" würde Frank allerdings nicht sprechen, sagte ich mir, als ich aus der Dusche stieg. Er hatte die meisten Probleme in unserer Ehe auf meine Promotion geschoben, auf meinen Versuch, eine sinnvolle berufliche Laufbahn einzuschlagen, auf "diesen ganzen Emanzipationskram" - auf alles andere, nur nicht auf die wirklichen Risse, die unsere Ehe mürbe gemacht hatten. Noch vor wenigen Monaten war ich fest davon überzeugt gewesen, dass es nur eine einzige Möglichkeit gab, ihn dazu zu bringen, mir zuzuhören, meine Bitten anzuhören - indem ich ihn damit schockierte, dass ich zeitweilig auszog. Wenn es nur geklappt hätte! Wenn das nur die ganze Wahrheit wäre. Während ich mich anzog und versuchte, meinem schulterlangen, dunklen Haar einen Anflug von Ordentlichkeit zu verleihen, musste ich mir ehrlicherweise gestehen, dass meine Entscheidung nicht klug gewesen war. Ich starrte auf die bleiche Haut meines Spiegelbildes, die dem hellen, zarten Teint meiner englischen Großmutter so ähnlich war und durch die meine dunklen, müden Augen eingefallen wirkten. Ich war emotional zu verletzlich geworden und hatte viel zu viel Zeit damit vergeudet, in Frank den hartherzigen, schwarzen Ritter zu sehen. Und doch - wie sehr liebte ich Frank immer noch, und wie sehr wünschte ich, dass unsere Ehe wieder in Ordnung käme! Wenn das stimmt, warum hast du dann -? Ich schloss die Augen und hielt mich am Waschbecken fest. Ich war kaum in der Lage, mir selbst ins Gesicht zu sehen, geschweige denn, diesem Gedanken standzuhalten. Ich war aus guter Familie, betrachtete mich selbst als intelligent und wohlerzogen. Ich kämpfte meine tiefe Selbstverachtung nieder. Ich verließ das Badezimmer, nahm meinen Regenschirm aus dem Flurschrank und trat dann hinaus in den gleichmäßig fallenden Regen. Während ich ins Auto stieg, setzt

Susan hat gerade mit Erfolg ihr Studium abgeschlossen, als sie feststellt, dass sie schwanger ist. Doch ihre Ehe ist längst ein einziger Scherbenhaufen und das Kind ist nicht von ihrem Mann. Abtreibung scheint der einzige Ausweg zu sein. Und so geht sie diesen Weg - ohne zu ahnen, welches Leid ihr bevorsteht. Als selbst Betroffene gibt Dr. Susan M. Stanford in diesem authentischen, ehrlichen Bericht wertvolle Hilfen für alle, die seelsorgerlich helfen wollen. Und sie zeigt den Frauen, die eine Abtreibung durchlitten haben, einen Weg zur Heilung, der tiefer führt als alles andere. Mit aktuellen Adressen von Beratungsstellen.

Susan M. Stanford ist Psychologin und hatte selbst unter den Folgen einer Abtreibung zu leiden. Zusammen mit ihrem Mann leitet sie in den USA ein Institut, das auf wissenschaftlicher Basis Hilfen und Beratungsansätze für betroffene Frauen erarbeitet.

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Autor Stanford, Susan
Verlag Francke-Buchhandlung GmbH
ISBN 9783861227465
ISBN/EAN 9783861227465
Lieferzeit Vorbestellbar
Erfassungsdatum 15.06.1989
Einband Kartoniert
Format 1.5 x 18 x 10.9
Seitenzahl 192 S.
Gewicht 165