Ganshert, Katie

Das Leben ist nie perfekt

334 S. Seiten,Paperback
9783963620409
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Kapitel 1 Als das Mädchen mit dem ruhelosen Blick wieder in sein Leben trat, stand es auf der anderen Seite des Sarges, der in die Erde hinabgelassen wurde, während die Schwüle und der schrille Gesang der Zikaden sich in der Hitze von South Carolina vermischten. Tante Marilyn presste ihre zitternden Finger auf ihre Lippen und schwankte, als hätte der feuchte Boden sich selbständig gemacht und sie nach vorne gekippt. Davis Knight umfasste den Ellbogen seiner Tante fester und wandte den Blick von ihrem Kummer ab. Und da sah er sie - wie eine Statue stand sie da, ihre zarte, anmutige Figur in Trauer gehüllt. Ivy Clark. Ganz erwachsen. Ein Donnergrollen rollte über den dunklen Himmel, allerdings eines, das ziemlich weit weg war, Überreste eines Tropensturms. Ein Regentropfen traf ihn am Ohr, ein anderer berührte seine Nasenspitze. Pastor Voss neigte den Kopf. Alle taten es ihm gleich, auch Ivy. Eine sanfte Brise ließ feine Haarsträhnen ihr gesenktes Gesicht umspielen und die Schmetterlingsärmel ihres Kleides flattern. Zuletzt hatte er sie leibhaftig gesehen, als er für einen kurzen Sommerurlaub nach Greenbrier zurückgekehrt war, das war nach seinem ersten Jahr an der Universität von New York gewesen. Ivy war damals zwölf gewesen, hatte aber viel älter gewirkt. Groß und schlaksig mit Augen, die für ihr Gesicht zu groß waren - zwei honigfarbene Seen, die so tief und eindringlich blickten, als sähen und verstünden sie jede Traurigkeit der Welt. Dann war sie verschwunden und er in gewisser Weise auch. Einige Jahre später hatte er angefangen, ihre Karriere zu verfolgen, weil es für ihn von Interesse war, das zu tun, aber selbst ohne professionelle Motive hätte er ihren Werdegang im Blick behalten. Davis spürte feine Schweißperlen auf seine Schläfen treten. Seine Schwester Sara legte den Arm um ihn und drückte ihn. Das Gebet des Pastors endete so abrupt, dass Ivy Clark aufblickte und ihn dabei ertappte, wie er sie anstarrte. Angesichts ihrer Karriere war sie das sicher gewohnt. Er selbst eher nicht. Er hätte den Blick abgewandt, aber die Tatsache, dass sie sich seines Interesses bewusst war, löste eine faszinierende Verwandlung aus. Wie es schien, hatten ihre Augen im Laufe der Jahre einige Tricks gelernt. Zum Beispiel genau im richtigen Moment zu blinzeln. Oder eine Einladung zu tanzen. Den Kummer hinunterzuschlucken, der gerade noch um ihre Schultern gelegen hatte, als sie dachte, niemand würde sie beobachten. Sie warf ihm ein Lächeln zu, das Davis gut kannte - eines, das er Hunderte Male auf Hunderten schöner Gesichter gesehen hatte. Die Art Lächeln, die vor zwei Jahren all ihren Reiz verloren hatte. Er blickte auf das Gras hinunter - dicke grüne Halme, die seine schwarzen Lederschuhe umrahmten - und tätschelte die Hand seiner Schwester, seine Erinnerung daran, warum eine Frau wie Ivy Clark nicht in sein Leben gehören konnte. Ivy gehörte zu einer Welt, die immer nur nahm und nahm und nahm, aber so subtil und hinterhältig, dass man es erst merkte, wenn man nichts mehr zu geben hatte. Es war eine Welt, mit der er nie wieder etwas zu tun haben wollte. Trotzdem sah er noch ein letztes Mal zu ihr hinüber. Ivy starrte zurück, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen. "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden, Ivy." Bruce stapfte durch das hohe Gras zu einer Reihe Autos, die an einem gepflasterten Weg parkten, während er eine Textnachricht in sein Handy tippte. Die Regentropfen verwandelten sich in einen Nebel, der sich auf Ivys Armen niederließ und ihre Haut kühlte. Wenn der Nieselregen doch nur ihre Angst auslöschen könnte. Wem schrieb er da? Sie beschleunigte ihre Schritte, heftete sich an seine Fersen wie ein Abendschatten. "Du bist doch derjenige, der arbeitet." "Woher willst du wissen, ob es Arbeit ist?" Er kramte in der Hosentasche, zog sein Schlüsselbund heraus und drückte auf den Knopf der Fernbedienung, um die Wagentüren aufzuschließen. Zwei kurze Töne durchbrachen den Chor zwitschernder Vögel,

Nach zehn Jahren im Modebusiness steht Ivy Clarks Modelkarriere vor dem Aus. Ihre letzte Chance: Ein Fotoshooting für eine Brautmodenkollektion in einem verschlafenen Inselstädtchen in South Carolina. Ivy ist alles andere als begeistert. Zumal die Auftraggeberin ausgerechnet Marilyn Olsen ist. Deren kürzlich verstorbener Ehemann hatte lange Zeit eine Affäre - und war Ivys Vater. Als sich zu allem Übel auch noch herausstellt, dass Marilyns Neffe Davis, der seit Jahren keine Kamera mehr in den Händen gehalten hat, die Fotos schießen soll, ist Ivys Stimmung endgültig im Keller. Warum will Marilyn ausgerechnet sie für den Job? Warum muss Davis der irritierendste Mann sein, dem Ivy je begegnet ist? Und warum scheinen in Greenbrier alle unbedingt hinter Ivys perfektes Äußeres schauen zu wollen? Wissen sie denn nicht, dass da längst nichts mehr ist?

Katie Ganshert war Lehrerin, bis ihr der Durchbruch als Romanautorin gelang. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Für »Das Motel der vergessenen Träume« bekam sie in den USA einen Preis für den besten zeitgenössischen christlichen Roman des Jahres verliehen.

Mehr Informationen
Autor Ganshert, Katie
Verlag Francke-Buchhandlung GmbH
ISBN 9783963620409
Blickfeldbestellnummer 332040 332.040
ISBN/EAN 9783963620409
Lieferzeit Vorbestellbar
Erfassungsdatum 29.11.2018
Lieferbarkeitsdatum 17.01.2023
Einband Paperback
Format 2.7 x 20.5 x 13.5
Seitenzahl 334 S.
Gewicht 402