Prainsack, Barbara/Buyx, Alena

Das Solidaritätsprinzip

Ein Plädoyer für eine Renaissance in Medizin und Bioethik
184 S., 1 Foto Seiten,Kartoniert
9783593505237
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Einleitung Mit Fug und Recht darf man den Begriff der Solidarität als "schillernd" bezeichnen. Nach einer heterogenen Begriffsgeschichte wird er heute in verschiedenen Fachdisziplinen sehr unterschiedlich definiert und eingesetzt. Sozialwissenschaftler untersuchen Phänomene sozialer Kohäsion unter Verweis auf Solidarität, Moraltheologen entwickeln Theorien globaler Verantwortung auf ihrer Grundlage, und Philosophen debattieren die Zulässigkeit und Reichweite von Gruppensolidarität. Manche streben danach, Solidarität als universelles Prinzip zu konzipieren. Hinzu kommt die breite Verwendung des Begriffs in alltagspolitischen und medialen Debatten. Solidarität ist hier ein viel bemühtes Schlagwort und taucht in ganz unterschiedlichen Kontexten auf. Die Abwesenheit einer klaren Definition des Begriffes führt dazu, dass manchmal völlig gegensätzliche Analysen oder Normen auf den diversen Definitionsspielarten aufgebaut werden. So sehen etwa manche Autoren Solidarität vor dem Hintergrund der derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Krisen als gefährdet an, während andere Krisen als solidaritätsfördernd betrachten. Ähnlich werden zum Beispiel soziale Medien von manchen Autoren als Grundlage neuer solidarischer Bindungen beschrieben, während andere ihre solidaritätszersetzende Wir-kung beklagen. Diese unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Begriffsver-wendungen - teils komplex theoretisch, teils völlig unterbestimmt - haben dazu geführt, dass Solidarität zwar fest in der Alltagssprache und in ein-schlägigen Fachdebatten verankert ist, aber häufig als vages oder schwer zu fassendes Konzept wahrgenommen wird. Obwohl in den unterschiedlichsten Lebensbereichen und intellektuellen Traditionen auf sie Bezug genommen wird, findet man erstaunlich wenige explizite Auseinandersetzungen mit dem Solidaritätsbegriff. Selbst in der Moralphilosophie, zu deren Aufgaben die Analyse moralrelevanter Begriffe gehört, spielt Solidarität eine untergeordnete Rolle - und das, obwohl sich die meisten Autoren einig sind, dass Solidarität jedenfalls ethisch-normative Elemente hat. Auch nach mehr als 15 Jahren muss Kurt Bayertz' Aussage zugestimmt werden, dass das "Phänomen der Solidarität wie ein erratischer Block in der moralischen Landschaft der Moderne [liegt]. Es ist aus dem Alltag wohlbekannt, zugleich aber doch ein Fremdkörper geblieben" (Bayertz 1997: 9). Diese Diagnose trifft auch auf den weiten und interdisziplinären Be-reich der biomedizinischen Ethik zu. Auch hier finden sich gemischt all-tagssprachliche und fachspezifische Verwendungen, und auch hier herrscht begriffliche Verwirrung. In einzelnen Teildebatten wurde der Begriff näher in den Blick genommen; so etwa in den Niederlanden in den späteren 1990er-Jahren im Kontext beginnender Auseinandersetzungen um die gerechte Verteilung knapper Ressourcen im Gesundheitswesen oder angesichts neuer Möglichkeiten genetischer Diagnostik und Therapie (siehe etwa ter Meulen u.a. 2010; Van Hoyweghen & Horstman 2010). Der Versuch, eine Übersicht über Verwendungsweisen und Begriffsdefinitionen zu geben, oder gar eine systematische Untersuchung des analytischen und lösungsorientierten Potentials des Begriffs im Kontext biomedizinethischer Fragen wurden bisher jedoch nicht unternommen. Als noch relativ junger Forschungsbereich hat die biomedizinische Ethik ein besonderes Interesse an der Analyse fachintern wichtiger und grundlegender Konzepte. Autonomie ist ein prominentes Beispiel, Men-schenwürde ein anderes, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Umso mehr erstaunt es, dass neben den inzwischen zahllosen Publikationen zu diesen Begriffen nur eine Handvoll von Arbeiten die frequenten, unter-determinierten Begriffsverwendungen der Solidarität untersucht. Angesichts dieses Umstandes - aber auch im Lichte der zunehmenden Popularität von Solidarität in der öffentlichen Debatte (nicht nur) im an-gelsächsischen Raum, wo Solidarität bis dahin eine ganz besonders rand-ständige Rolle gespie

Der Begriff 'Solidarität' erlebt gegenwärtig eine Renaissance: In Zeiten der Corona-Pandemie und ökonomischer Krisen scheint eine Rückbesinnung auf solidarische Werte auch in der Gesundheitsversorgung angebracht. Anknüpfend an die internationale Bio- und Medizinethikdebatte entwickeln die Autorinnen ein neues Solidaritätsverständnis: Anstatt den Begriff nur auf der abstrakten Ebene zu behandeln, zeigen sie anhand konkreter Fallbeispiele, etwa der Schweinegrippe-Pandemie von 2009/10 oder lebensstilbedingten Krankheiten, wie ethische Regelwerke und regulatorische Instrumente aus dem Blickwinkel der Solidarität verändert und verbessert werden können.

Barbara Prainsack ist Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien.

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Autor Prainsack, Barbara/Buyx, Alena
Verlag Campus Verlag
ISBN 9783593505237
ISBN/EAN 9783593505237
Lieferzeit 5 Werktage (inkl. Versand)
Erfassungsdatum 30.11.2015
Lieferbarkeitsdatum 22.11.2020
Einband Kartoniert
Format 1.2 x 21.5 x 14.5
Seitenzahl 184 S., 1 Foto
Gewicht 242